Kindesunterhalt, der vom unterhaltspflichtigen Elternteil gezahlt wird, kann nicht immer alle Kosten, die für ein Kind entstehen abdecken. Das wissen Alleinerziehende wohl am Besten. Entstehen kurzfristig relativ hohe Kosten, spricht man beim Kindesunterhalt von Sonderbedarf. Der Sonderbedarf ist in § 1613 Abs.1 BGB gesetzlich geregelt und setzt vorraus, dass die Ausgaben kurzfristig und nicht vorher absehbar in unerwarteter Höhe eintreten. Das ist beispielsweise bei kieferorthopädischen Behandlungen, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, der Fall. Typisch für den Sonderbedarf ist, dass er aus dem normalen, laufenden Unterhalt nicht gezahlt und auch nicht angespart werden kann.
Wer muss den Sonderbedarf bezahlen
Dieser Sonderbedarf muss von den Eltern nicht hälftig, sondern anteilig bezahlt werden. Das bedeutet, dass sich auch der Elternteil, bei dem das Kind lebt an den Kosten beteiligen muss. Um die Kostenverteilung zu ermitteln wird zunächst der Einsatzbetrag beider Eltern ermittelt. Dazu muss vom Nettoeinkommen der Selbstbehalt in Höhe von 1.100 Euro abgezogen werden. Die dann bei beiden Eltern verbleibenden Beträge werden zueinander in Verhältnis gesetzt.
Beispiel zur anteiligen Berechnung des Sonderbedarfs
Beispiel (Stand Düsseldorfer Tabelle vom 1.1.2013): Der zu zahlenden Sonderbedarf beträgt 300 Euro. Der unterhaltspflichtige Vater verdient 2000 Euro, die alleinerziehende Mutter 1200.
Zieht man bei beiden Eltern den Selbstbehalt von 1.100 Euro ab, so bleiben beim Vater 900 Euro übrig, bei der Mutter 100. Zusammengerechnet verbleibt ein Rest von 1000 Euro. Der Vater hat also in diesem Fall 900/1000 x 300 Euro zu zahlen, das sind 270 Euro, die alleinerziehende Mutter lediglich 30 Euro (100/1000 x 300).
Was zählt zum Sonderbedarf?
Immer wieder stellt sich die Frage, was genau als Sonderbedarf geltend gemacht werden kann. Wichtig ist, dass der Sonderbedarf kurzfristig entstanden ist und nicht vorhersehbar war. Andere, vohersehbare Kosten hätten aus dem laufenden Kindesunterhalt angespart werden können. Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick:
Aufwand | als Sonderbedarf anerkannt? |
---|---|
Arztrechnungen | ja, wenn sie notwendig sind und von der Krankenversicherung nicht übernommen werden. |
Betreuungskosten | ja |
Brille | ja |
Einrichtung (aufgrund einer Allergie) | ja |
Familienfeiern | nein |
Internat | unterschiedliche Meinungen seitens der Gerichte (siehe Hinweis unten) |
Kindergartengebühren | nur Ganztagskindergarten (als Sonderbedarf können nur die Kosten geltend gemacht werden, die die Gebühren für einen Halbtagskindergarten übersteigen. |
Klassenfahrt | grundsätzlich ja (siehe Hinweis unten) |
Kleidung | nein |
Konfirmation oder Kommunion | nein, bei den meisten Gerichten (siehe Hinweis unten) |
Lernmittel | nein |
Möbel | nein |
Musikschule | grundsätzlich nein, es sei denn, die Musikausbildung gehört aufgrund der besseren Einkommensverhältnisse zum Lebensstandard. Das Musikinstrument selbst gilt sowieso nicht als Sonderbedarf |
Privatschule | nein |
Nachhilfeunterricht | ja, sofern unvorhergesehen und nur vorübergehend |
Prozesskosten | ja |
Baby-Erstausstattung | ja (1.000 EUR pauschal, siehe OLG Koblenz – Az. 11 UF 24/09) |
Schüleraustausch | sehr unterschiedliche Meinungen der Gerichte (siehe Hinweis unten) |
Sportverein | nein |
Umzugskosten | ja |
Urlaub | nein |
Zahnarzt | ja |
Hinweis: Bei einem Sonderbedarf für Internat, Klassenfahrt, Kommunion, Konfirmation sowie Schüleraustausch entscheiden die Familiengerichte danach, welche Stufe der Düsseldorfer Tabelle bei der Berechnung des Kindesunterhaltes zugrunde gelegt wurde. In den Stufen 1-5 ist der Unterhalt deutlich geringer, daher sind diese Kosten eher als Sonderbedarf anzusehen, als in den darüber liegenden Stufen.
Geltendmachung von Sonderbedarf
Sonderbedarf sollte sofort geltend gemacht werden, wenn der Anspruch entsteht. Sonderbedarf kann aber nach § 1613 Abs. 2 BGB sogar bis maximal ein Jahr ab Entstehung des Anspruchs rückwirkend beim Unterhaltsschuldner geltend gemacht werden. Falls durch die nachträgliche Geltendmachung des Sonderbedarfs beim Unterhaltsschuldner eine unbillige Härte eintritt, weil er beispielsweise nur ein geringes Einkommen hat und ncht mit der Nachforderung rechnete, kann rückwirkender Sonderbedarf gegebenenfalls nur in Raten oder erst zu einem späteren Zeitpunkt verlangt werden. Der § 1613 III BGB sieht vor, dass der rückwirkende Anspruch unter Umständen auch ganz verfallen kann.
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